Benjamin Bronni

 

 

Benjamin Bronni

»Somewhere Between - Kantum«

Das Projekt »Somewhere Between« besteht aus zwei verschiedenen Ausstellungen, einer von Mateusz Szczypinski und einer von Benjamin Bronni. Auf den ersten Blick haben diese beiden Künstler nur wenig miteinander gemein: Bronnis Arbeiten sind Rauminstallationen, Szczypinski bewegt sich hauptsächlich in der Sphäre der zweidimensionalen Malerei. Die Künstler kommen aus verschiedenen Ländern und haben einander noch nie getroffen, und doch berufen sie sich auf ein und dieselbe visuelle Tradition. Beide versuchen, sich in der komplexen Welt von heute auf etwas »Konstantes« zu beziehen, um ihre Gegenwart zu definieren.
Wenn der Betrachter zum ersten Mal mit Szczypinskis und Bronnis Arbeiten konfrontiert wird, bekommt er sofort ein Gefühl dafür, dass diese Künstler vom Modernismus fasziniert sind. Und doch ist dieser Verweis auf die Vergangenheit mehr als bloße Wiederholung. Auf der Basis eines im Modernismus verankerten visuellen Erbes begeben sich beide Künstler auf eine ganz eigenständige Suche. Sie werden zu »materialistischen Historikern«, die ihr Bild von der Gegenwart auf den halb vergessenen Überresten der Vergangenheit aufbauen. Vielfalt, Zitate und Eklektizismus sind für die Kultur von heute charakteristisch – und sie prägten die beiden Künstler schon in den 1990er Jahren. Ihre künstlerischen Arbeiten entstammen direkt dem Charakter unserer Gegenwart; sie sind die Antwort und der Schlüssel dafür, mit dieser Gegenwart umzugehen. Es gibt heute niemanden mehr, der Regeln festlegt – alles ist erlaubt, nichts ist unmöglich. Zitate oder Referenzpunkte der Vergangenheit haben in Zeiten, in denen in der Kunst alles gestattet ist, durchaus etwas Aufständisches an sich und verwischen die Grenzen: Im Moment gibt es beispielsweise keinen Unterschied zwischen heilig und profan, zwischen Original und Kopie, und oft sieht man, wie verschiedene – oft sogar widersprüchliche – Elemente miteinander verschmelzen und einander ergänzen. Die Welt von heute ist durch eine Flut von Informationen und Bildern geprägt, die unmittelbar nach ihrer Rezeption an Bedeutung verlieren, verblassen und Platz machen für neue – die ihrerseits bald wieder in Vergessenheit geraten. Daher erscheint Bronnis und Szczypinskis Beschwörung modernistischer (oder sogar prä-modernistischer) Zeiten – einer Epoche, als noch Regeln und Prinzipien die Kunst beherrschten und man sie wie eine Religion behandelte – durchaus als Reaktion auf die Gegenwart.
Ihre künstlerische Betätigung stellt den Versuch dar, sich auf etwas zu beziehen, das »konstant« ist und so als Instrument zur Definition der Gegenwart dienen kann. Auf der Ebene der ästhetischen Reflexion versuchen sie, die wechselseitigen Beziehungen und Verbindungen zwischen Formen, Farben, Flächen, Komposition und Raum zu untersuchen und zu definieren. Diese Elemente wollen sie innerhalb des zeitgenössischen Diskurses über Malerei, Skulptur und Installationen interpretieren und kontextualisieren. Beide Künstler kehren dazu in eine Zeit zurück, als strikte Regeln und Prinzipien galten, die die Kunst in eine religiöse Sphäre erhoben. Und sie verwenden dazu das Konstrukt eines Moduls.
Bronni entwickelt seine Arbeit auf der Basis streng geometrischer Formen, die sich im Raum entfalten und die zugleich Grundlage als auch Baustein nachfolgender Objekte sind.
Letztlich stellen Bronnis und Szczypinskis Module so etwas wie heiligende Zeichen dar, die die Kunst wieder dorthinbringen wollen, wohin sie gehört. Kuratiert von Dobromila Blaszczyk.

Benjamin Bronni »Striptease«


In seinen stets in installativen Zusammenhängen präsentierten Zeichnungen, Gemälden und skulpturalen Objekten geht es Benjamin Bronni um eine Befragung des Raumes. Seine präzise konstruierten Bilder erlangen mittels farbreduzierter übereinander gelagerter, geometrischer Formationen bühnenhafte Eigenschaften, die sie regelrecht zu abstrakten Bildräumen werden lassen. Im Gegenzug scheint sich der Bildraum in den realen Raum zu weiten, wenn Benjamin Bronni die scharfkantigen geometrischen Objekte seiner abstrakten Bildwelten als theatrale Raumkörper in den Ausstellungsraum transferiert. Dort erlangen sie als übergroße und dabei labil anmutende Konstruktionen, die je nach Blickwinkel und Perspektive die Parameter von Räumlichkeit verändern, eine beunruhigende, nicht zu verortende Präsenz. Trotz - oder gerade wegen - ihrer geradezu mathematischen Präzision nehmen sich die kulissenhaften Installationen und Bilder Benjamin Bronnis als gänzlich irreale Räume aus, deren Menschenleere auch das Unheimliche zu inszenieren scheint, das abstrakt geometrischen Welten innewohnt. (C) Galerie Parrotta Contemporary Art Stuttgart Berlin.
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In his drawings, paintings and sculptural objects, which are always presented in an installative context Benjamin Bronni attempts to, question the room. His precisely constructed paintings achieve stage-like features by means of colour- reduced geometrical formation placed on top of each other that positively turn into abstract image spaces. In return the image space seems to expand into the real space when Benjamin Bronni transfers the sharp-edged geometrical objects of his abstract picture world as a theatrical spatial corporality into the exhibition room. There they achieve as oversized and unstably appearing constructions, whose parameter of room alters depending on the perspective and angle, an alarming but not placeable presence. Despite- or rather because of their straightforwardly mathematical precision Benjamin Bronni’s coulisse-like installation views and pictures issue an entirely unreal space, whose desertedness attempts to stage the uncanny which is inherent in the geometrical worlds. (C) Parrotta Contemporary Art Gallery Stuttgart Berlin.

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Benjamin Bronni »Kippfiguren«

Benjamin Bronni formt aus übereinander gelagerten, geometrischen und kristallinen Strukturen auratisch aufgeladene Kompositionen - immer rückgebunden an eine ausgeprägte Materialität des jeweiligen Mediums. Hier ist es die unbehandelte raue Oberfläche von Holzwerkstoffplatten (OSB), die sich als Bildträger immer wieder in den Vordergrund spielen, während die Malerei selbst, außer abstrakte Formen, zunächst „Nichts“ zu repräsentieren vorgibt.

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Installationsansicht auf der Art Cologne im Open Space 2011

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Der theoretische Begriff „Abstraktion“ wird in seiner spezifischen Bedeutung zumeist als Gegenspieler des Konzeptes der „Repräsentation“ verwendet. Während „Repräsentation“ die Abbildung von etwas Bestimmtem, einem Referent in der nicht-bildlichen Wirklichkeit meint, verweist „Abstraktion“ auf ein Bild, das keine Abbildung mehr ist, das lediglich auf sich selbst verweist. Jenseits der Repräsentation verstand sich die Kunst spätestens mit Kasimir Malewitschs „Weg zum künstlerischen Selbstzweck, zur Herrschaft über die Naturformen“.

Doch entgegen der Behauptung einer Autonomie und Selbstreferentialität der Form erinnern die geometrischen Formationen Bronnis mit ihrer Betonung von Kreis- und Dreieckssegmenten nicht von Ungefähr an starke (Herrschafts-)Symbole wie die Sonne und Pyramide, den Stern und Strahl und verlieren damit auch die „Unschuld“ der künstlerischen Abstraktion.

Bronnis präzise konstruierten, farbreduzierten Gemälde und Objekte präsentieren sich stets in installativen Zusammenhängen und erlangen so bühnenhafte Eigenschaften, die den Betrachter mit einschließen. Der Bildraum scheint sich in den realen Raum zu weiten, wenn Bronni die scharfkantigen geometrischen Objekte seiner abstrakten Bildwelten als theatrale Raumkörper in den Ausstellungsraum transferiert. Dort erlangen sie als übergroße und dabei labil anmutende Konstruktionen, die je nach Blickwinkel und Perspektive die Parameter von Räumlichkeit verändern, eine beunruhigende, nicht zu verortende Präsenz.

Bronnis Installation für den Open Space der Art Cologne hat eine geradezu zeremonielle, um nicht zu sagen sakrale Anmutung. Bestehend aus einer Dreierserie großformatiger Diptychen von Kreis-Kompositionen, einer Groß-Plastik aus zwei prekär ineinander gefügten Kreissegmenten, sowie zwei überwiegend flächig schwarz verhüllenden Tafeln und ein in der oberen Raumecke inszeniertes rundes Kreissegment, gemahnt die Installation an ihre konstruktivistischen Ahnen wie Alexander Rodtschenko, hier insbesondere seine  Kompositionen auf Leinwand, wie beispielsweise „Schwarz auf Schwarz“ (1918), Lazlo Moholy Nagy und (unvermeidlich) Kasimir Malewitsch. Die „Wiederholung“ konstruktivistischer Ansätze erweist sich dabei als Kippfigur, die zwischen Affirmation und Subversion oszilliert und gerade die paradoxen Effekte vor Augen führt.

Benjamin Bronni nimmt den utopischen Ansatz eine „klare, rein logische“ Kunst zu schaffen, mit ihren bewussten und unbewussten Übergängen ins Irrationale auf und spielt ihren Hang ins Religiöse aus. Dies jedoch nicht ohne eine selbstironische Brechung, die sich beispielsweise in der kleineren Arbeit „Papier“ ausdrückt. Weiß auf Weiß erscheint die Fehlproduktion eines Klorollenpapierabschnittes als gekonnte geometrisch-kristalline Faltung und Schnitttechnik. Mit einem Streich lässt Bronni Konzepte des Konstruktivismus, respektive Minimalismus, mit seiner Betonung der standardisierten Form, und des industriell gefertigten Materials, des Readymades und der „reinen“ Abstraktion, wie schon in einer früheren Wandplastik aus Dachlatten, die für Gewöhnlich zum Aufspannen der Leinwand dienen, zusammenfallen. © Birgit Kulmer, 2011.